Die letzten Telefonzellen
Am heutigen Tag, dem 30. Jan. 2023, werden alle verbliebenen Telefonzellen (12.000 in ganz Deutschland) abgeschaltet. Vermutlich gab es eine Änderung im Telekommunikationsgesetz, da es früher verpflichtend war alle X Meter eine Telefonzelle aufzustellen, für den Notfall o.ä. In einer Zeit aber, wo doch sogar mein 9-jähriger Neffe schon seit einem Jahr ein Mobiltelefon hat, hat die Politik sich scheinbar entschieden, dass es nicht mehr notwendig ist, die Zellen (inkl. deren Vandalismus, worüber es laut Süddeutsche Zeitung eine Doktorarbeit gab) zu warten und zu unterhalten. Ich habe darüber nachgedacht, welche Rolle die Zellen für mich gespielt haben in meinem Leben.
Gegenüber unseres Wohnhauses auf der Sankt-Anton-Str. in Krefeld stand vor dem Eingang zum Stadtgarten immer eine Telefonzelle. Erst die gelben dann magentafarben. Immer hatte ich eine Telefonkarte dabei, ich erinnere mich sogar, dass es Menschen gab (inkl. mir?) die Telefonkarten gesammelt haben, die Telekom hatte nämlich die Karten mit unterschiedlichen Motiven rausgegeben. (Für diejenigen, die nicht mehr wissen was Telefonkarten sind/ waren: hier ein tagesaktuelles Foto und eine kurze Beschreibung:)
Eine Telefonkarte erwarb man mit einem Guthaben zu bestimmten Beträgen, wie 25 DM (Deutsche Mark) und konnte diese an den Telefonzellen abtelefonieren. Auch ein Münzschlitz war vorhanden, in die man Münzen zum Telefonieren werfen konnte.
Wenn wir auf Ferienfreizeit fuhren, wurde uns immer von den Eltern eine Telefonkarte mitgegeben. Kürzlich habe ich einen Brief gefunden, den ich wohl damals 10-jährig, an meine Eltern geschrieben habe. Von Telefonaten weiß ich nichts mehr. Ich erinnere mich aber daran, wie die Telefonzellen immer “digitaler” wurden. Bald konnte man SMS schreiben, es gab auch Modelle, mit denen man Emails verschicken und ins Internet gehen konnte. (Das Modell bei mir in der Nähe hat sogar einen Hotspot). Aber die “Verhandysierung” der Gesellschaft konnte nicht entgegengewirkt werden. Kaum jemand nutzte noch Telefonzellen (ich vermute die Call Shops bleiben davon ungerührt, denn Telefonate ins Ausland sind immer noch teuer?). Was ich mich frage: sollte es einen Störungsfall geben, und das Mobilfunknetz fällt aus: wer hat denn zu Hause noch ein Festnetztelefon? Ich habe seit dem Auszug aus meinem Elternhaus 2004 keines mehr besessen (außer kurzzeitig, als ich mit meinem Freund zusammengewohnt hatte, der hatte sowieso eines), vom Netzbetreiber O2 gab es damals eine Art “Festnetz”: wenn man sich in einem bestimmten Radius von zu Hause bewegte, konnte man auf einer Festnetznummer erreichbar sein, damit die anrufende Person günstigere Kosten hatte. Die Problematik bei meinem Mobiltelefon, welches schon 4,5 Jahre und 2 Batteriewechsel auf dem Buckel hat: die Akkulaufzeit ist sehr gering und ich muss ständig eine Powerbank mit mir rumschleppen. Wer weiß. Vielleicht gibt es einen Sinneswandel und die Menschen streben nach mehr “digital detox”, verbannen ihre Handys in die Schubladen und installieren sich wieder Festnetztelefone. Und dann wäre man froh, wenn man von unterwegs jemanden erreichen könnte, wenn man sich z.B. verspätet.
R.I.P. du arme, malträtierte Telefonzelle, in der auch früher Telefonbücher klebten. Genieße nach über 142 Jahren dein wohlverdienten Ruhestand!